Geir M. Brungot - Inside Out Caming

In dieser Ausstellung präsentiert der norwegische Fotograf Geir M. Brungot zwei unterschiedliche Projekte - ”Inside Out” und ”Campingwagons”. So unterschiedlich diese Projekte auch sein mögen, hat er sich dennoch dafür entschieden, sie unter dem Titel “Inside Out Camping” zusammenzufügen.

Die Gemeinsamkeit dieser beiden Serien besteht darin, daß sie eine gewisse Tristesse austrahlen, ein Gefühl der Verlassenheit und der Abwesenheit menschlichen Lebens. Dennoch scheinen sie nachdrücklich über das menschliche Leben und Spuren von Leben überhaupt zu reflektieren.

Die Serie “Inside Out” ist in einem parkähnlichen, verfallenen Gebiet einer Prager Vorstadt aufgenommmen worden, in einer Gegend voll von Müll und vergessener, unerwünschter Dinger, aussortiert von der Gesellschaft.

In dieser wunderlich öden Landschaft bin ich mit Geir umhergegangen und habe zugesehen, wie er sich seine Bilder erarbeitet. Zunächst sah es so aus, als würde alles ganz zufällig geschehen, aber nach und nach habe ich verstanden, daß seine Expedition darauf zielte, sich den Launen der Inspiration zu öffnen. Er erklärte mir seine Methode so, daß er einzelne Objekte oder auch Gruppen von Gegenständen als eine Art Persiflage klassischer Stilleben betrachte. Er faßte nichts an, umkreiste die Dinge nur, bis er den richtigen Winkel gefunden hatte, oder er wartete einfach auf die richtige Lichteinstrahlung. Einmal entdeckte er eine rote Jacke. Als er das nächste Mal zurück kam, war dieselbe Jacke gewendet, also ”Inside Out”. Da war ein Lehnstuhl, der Sonne zugewand, mit Aussicht über die Mülllandschaft; die vollkommene Parodie einer gemütlichen Stube. Da waren Arbeidshandschuhe, eine Hose und eine demolierte Badezimmereinrichtung und zwei Madratzen, als seien sie beim Liebesakt überrascht worden. Alle diese Dinge finden sich ganz zufällig, um dann mit genialer Intuition abgebildet zu werden.
Das ist die Spiegelung des Lebens des modernen Menschen. Das erinnert uns an unser eigenes Leben, an unsere Bedürfnisse und Träume und vielleicht auch an unsere eigenen Grenzen, Belastungen und Sorgen. Geir beschreibt diese Wahrnehmung als einen Rückblick auf die Kindheit, auf ein gelebtes Leben mit Kämpfen, Trauer und Problemen, aber auch auf ein Leben voller materieller Dinge und nicht zuletzt auf erlebte Liebe und Wärme. Er benutzt dieselbe Taktik, mit der einige Künstler nach dem 1.Weltkrieg in Aktion traten. Sie sammelten die Reste der Vergangenheit, um sie erneut zu etwas Sinnvollem zusammenfügen, um einen Neubeginn zu schaffen. Das sind selbstverständlich die großen Themen der Kunst – das eigene Leben neu zu erfinden, die Schönheit der Vergangenheit neu zu arrangieren, um zu versuchen, den Sinn des Lebens zu erklären.

Die Serie ”Campingwagons” entstand auf Jomfruland, einer Insel vor der Südküste Norwegens. Diese Insel ist bekannt für ihre Schönheit und deshalb ein beliebtes Ziel vieler norwegischer Künstler. Geir hatte ein Stipendium für die Arbeit an einer Ausstellung bekommen, inbegriffen den Aufenthalt auf dieser Insel.
Es ist ein Paradoxon des modernen Lebens, daß sich die Menschen in einem Land wie Norwegen, in einem der Länder mit der geringsten Bevölkerungsdichte, dicht an dicht mit ihren Nachbarn auf Campingplätzen versammeln, um so ihren gewohnten Alltag in die Ferien und in die Wochenenden mitzunehmen. Sie fahren mit ihren Wohnmobilen auf einen Campingplatz in der wunderbaren norwegischen Natur und erschaffen dort für eine mehr oder weniger begrenzte Zeit eine Art Dorf. Sie stellen ihre Campingwagen ab, oft für mehrere Jahre, setzen Zäune auf, bauen Terrassen, pflanzen Blumen und legen perfekte Grillplätze an. Ihr Leben hier unterscheidet sich vom Alltag nur dadurch, daß sie mehr trinken, noch schlechtere Musik noch lauter hören und sich minimal bekleiden. Es handelt sich sozusagen um eine auf den Kopf gestellte Zivilisation, um eine Flucht vor den alltäglichen Normen zurück in die Natur, wobei man selbstverständlich die eventuell unkomfortabelen oder gar gefährlichen Aspekte der Natur vermeidet. Man könnte das vielleicht als moderne Version von Thoreaus Walden verstehen, d.h. allem den Rücken zuzukehren, aber nicht ohne Sicherheitsnetz.

Auf Jomfruland gibt es auch einen solchen Campingplatz, was natürlich Geirs Aufmerksamkeit erregt hat. Die Farblosigkeit und Ödnis dieses Ortes wird mit gedämpften Farben abgebildet. Alle Aufnahmen wurden im Regen gemacht und entstanden innerhalb von zwei Stunden. Sie vermitteln eine Stimmung der Verlassenheit und Hilflosigkeit. Die Menschen haben diesen Ort verlassen, um in ihr normales Leben zurückzukehren. Zurück bleibt ihr Plastikkram und gelbes Gras, dort, wo ihre Terrassen gewesen sind und wo der Wagen geparkt war – Spuren von Sommerspaß und Aufbruch. Auch das ist ein Umkehrbild des Lebens, ein Versuch der Annäherung an die Natur, ohne den Schritt jedoch ganz zu wagen.

Wenn wir diese beiden Ausstellungen zusammen betrachten, werden wir an die Vergänglich das Leben erinnert, daran, wie wichtig die Dinge für uns sind und wie leicht es ist, Dinge zu verwerfen, die uns einst so wichtig waren. Sie vermitteln auch unsere Sehnsucht nach Sicherheit in Gesellschaft und Familie, unsere Sehnsucht nach einem weniger komplizierten Leben ohne Verstellung und ohne Forderungen. Es wird uns zurückgespiegelt, wer wir sind und wo wir stehen.

Bei Geir Brungot haben wir es mit einer scharfen Beobachtungsgabe, gepaart mit Neugier und schöpferischer Intuition zu tun.

Olav Løkke